Neuer Anlauf - Restart - zweiter Versuch: Öffentliche und private Angelegenheiten aus der Hauptstadt. Seelenlage, Medienlage, Haushaltslage. Fundsachen, Anmerkungen,Assoziationen. Alle geäußerten Meinungen sind die privaten des Autors. Diskussionsbeiträge willkommen: Klick auf 'comments' unten rechts an jedem Beitrag.

29.12.04

taz, Dutschke und Pisa

Die Forderung nach einer Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße ist ein ideales Diskussionsthema für die Hauptstadt: Eigentlich eher unwesentlich, aber wunderbar geeignet für Er- und Aufregungen aller Art sowie Deutungshoheitskämpfe zur jüngeren Zeitgeschichte. Summa summarum: ein prima Fortsetzungsroman, um die zwischen den Jahren doch eher nachrichtenarmen Zeitungsspalten zu füllen. Losgetreten wurde alles von unserer längst etablierten Lieblingsalternativzeitung, die in einer bislang beispiellosen Mischung von Konzeptkunst, Marketing und Anlieger-Engagement die Grenzen zwischen Medien- und politischem System überschritt und einen entsprechenden Antrag in der zuständigen Bezirksversammlung des vereinigten Stadtbezirks Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin initiierte (nicht zu einer Demonstration aufrief, kein Volksbegehren einleitete, kein Bezirksrathaus besetzte - nein, einen Antrag stellte). Nach der üblichen Diskussion entlang der erwartbaren Frontlinien (CDU: "Dutschke war Teil der Gewalt"; Oskar Negt: "ohne Dutschke keine stabile Bundesrepublik") lautet das vorläufige Zwischenergebnis: Es dürfte entweder die halbe Koch- oder aber irgendeine andere Kreuzberger Straße tatsächlich umbenannt werden.

Interessant die Reaktion der übrigen lokalen Zeitungen. Die an der Ecke der Kochstraße zur (vor nicht allzu langer Zeit so umbenannten) Axel-Springer-Straße ansässige Berliner Morgenpost hält sich souverän heraus und lässt freundlich verlauten, man würde sich auch mit neuen Straßenschildern vor der Nase arrangieren. Nun gut, der eigene Eingang wurde ja gerade erst für ein paar Millionen zur neuen guten Adresse verlegt - und von den höheren Etagen des Springer-Hochhauses aus kann man die kleinen Straßenschildchen ohnehin nicht mehr lesen. Warum der taz also nicht gönnen, was man selbst auch bekommen hat. Der Tagesspiegel, zuletzt eher in Sachen Pressefusionskontrolle selbst politisch engagiert, berichtet ganz neutral und lässt die Leser abstimmen.

Die Berliner Zeitung hat sich heute im Lokalkommentar zu einer klaren Haltung entschieden ("Hände weg"), vor allem lässt sie dem Thema aber nun endlich den gebührenden Unernst angedeihen. Die Steilvorlage eines Schreibens der Dutschke-Söhne Hosea Che (sic) und Rudi-Marek (sic) verwandelt heute der mit einem ausgeprägten Gespür fürs Absurde gesegnete Kollege Jan Thomsen und zitiert so genüsslich wie unkorrigiert daraus. "Leiber Herr Hinkel..." belehren die beiden den CDU-Politiker Henkel, die Studentenbewegung sei so radikal gewesen, weil "die damaligen Verhältnisse in sich repressive, marode, unterdrückend und frauenfeindlich waren". Tja - es reicht eben nicht, in Word die Rechtschreibkorrektur einzuschalten. Aber auch gewissenhaftes Korrekturlesen hätte die Dutschke-Söhne wohl nicht davor bewahrt, von der "historischen Chance" zu schwadronieren, künftig am Zusammenstoß der Dutschke- mit der Springerstraße eine "Ecke der Versöhnung" zu installieren. Liebe taz, das wollt ihr nicht wirklich! Wenn doch, müsst ihr zur Strafe Alexandra Hildebrandt zur Einweihung einladen, die dann in einer spontanen Kunstaktion eine sieben Meter hohe Pflasterstein-Wasserwerfer-Molotowcocktail-Gedenk-Installation errichtet.

P.S.: Dank an Jan Thomsen auch für die Information, dass Hosea Che Dutschke heute Büroleiter des Aarhuser Vizebürgermeisters ist. Ohne Dutschke kein demokratisches Dänemark.

27.12.04

TOP 5: lohnenswerte Weihnachtslektüre

1. Das SZ-Magazin, Weihnachtsausgabe. Weil es mich - auf der Zugfahrt ins heimische Ruhrgebiet - im besten Sinne in Weihnachtsstimmung gebracht hat: mit Geschichten über Menschen an Weihnachten. Schöne, komische, beklemmende, rührende, jedenfalls nicht gefühlsduselige Geschichten. Was daraus zu lernen ist: Unsere vermeintlich großen Probleme im Alltag drehen sich meist, ehrlich betrachtet, um ziemlich unwesentliches Zeug.

2. "Stille Nacht" von Karl Otto Hondrich, F.A.Z. vom 24.12.2004. Weil er uns nicht nur (endlich!) erklärt, wie Weihnachten funktioniert und vor allem, wie wir an Weihnachten funktionieren. Sondern weil er das auch noch in einer Sprache tut, die das Lesen zur reinsten Freude macht. Was daraus zu lernen ist: Dass die Soziologie als Wissenschaft vom Menschen uns eben doch etwas zu sagen hat. Und: Individualität ist Fiktion.

3. "Große Männer, große Haufen" von Ralf Grauel, brand eins 1/2005. Weil dieser Text so nüchtern wie einleuchtend analysiert, wie das 650-Millionen-Investitionsdesaster "Space Park" in Bremen geschehen konnte. Was daraus zu lernen ist: Der Spruch "Erfolg ist die Summe richtiger Entscheidungen" gilt auch in der Negation. Ob in Berlin, Bremen oder Frankfurt/Oder.

4. "Das wahre Elend" von Walter Wüllenweber, Stern v. 15.12.2004. Ein beklemmender Blick in die Lebenswelt der "neuen Unterschicht" am Beispiel von Essen-Katernberg. Wo Eltern, die ihren Kindern "mal was bieten" wollen, zu Mc Donald's gehen, und wo daheim auf dem DVD-Player vor allem Pornos laufen. Polemisch, aber zutreffend seziert der Text die regelrechte "Unterschichtkultur", die sich trotz oder gerade wegen der staatlichen Fürsorge-Politik herausbilden konnte. Und die gerade für Kinder direkt in die Perspektiv- und Chancenlosigkeit führt. Was daraus zu lernen ist: Armut in Deutschland ist nicht in erster Linie ein finanzielles, sondern ein geistiges Problem.

5. "Im nächsten Jahr wird alles besser" von Eric Schweitzer, WamS vom 26.12.2004. Weil der neue Chef der Berliner IHK zeigt, wie ein neuer, zurechnungsfähiger Berliner Optimismus aussehen könnte: Ohne die Staatsfixiertheit früherer Berliner Wirtschaftsfunktionäre, ohne das Diepgen'sche Weglächeln von Problemen, ohne den Größenwahn der Hauptstadt-Überflieger-Fraktion. Stattdessen mit Nüchternheit, Rationalität, Zuverlässigkeit und Problembewusstsein. Was daraus zu lernen ist: Die Berliner Wirtschaftsindikatoren sind immer noch nicht toll, aber zeigen endlich in die richtige Richtung.

14.12.04

Zitier' mich, oder ich fress' Dich

Es gibt Journalisten, die inzwischen einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit für eine besondere Form des Marketings für ihre Zeitung/Welle/Agentur verwenden (müssen): Das Generieren von Zitaten. Es genügt kaum einem Medium mehr, einfach einen interessanten Artikel, eine echte Neuigkeit, eine exklusive Recherche oder ein relevantes Interview zu haben und dann die Wirkung gelassen abzuwarten: darauf zu setzen, dass die Nachricht auch anderen Medien auffällt und diese sie fairerweise dann nicht einfach klauen, sondern mit Angabe der Quelle zitieren. Nein, um das Zitat wird längst mit allen Mitteln gekämpft, ohne Rücksicht auf Verluste und Kollateralschäden bei Redlichkeit und journalistischer Qualität.

Die Auswüchse, die dieser Kampf um Erwähnung täglich produziert, sind häufig haarsträubend, manchmal traurig, und sehr oft unfreiwillig komisch. Allein ich persönlich in meinem unmittelbaren Radius als Pressesprecher habe in den letzten Wochen mehrfach erlebt, dass Informationen oder Statements, die ich gleichzeitig oder kurz hintereinander in identischer Form mehreren oder gar allen Kollegen übermittelt habe, von mindestens einer Zeitung anschließend als "exklusive Vorabmeldung" an die Nachrichtenagenturen gegeben wurden - in der Hoffnung, dass irgendjemand schon darauf hereinfallen würde. Mit Erfolg. Grundregel dabei: Je Wochenende desto Durchlauferhitzer.

Man könnte meinen, solcherlei beliebige Zitierung eines Mediums sei im Vergleich zur Berichterstattung über tatsächlich relevante Exklusivrecherchen (SPIEGEL deckt auf: Bundesminister bestochen) oder echte Neuigkeiten (Joschka Fischer im Deutschlandradio: Ich habe keine Lust mehr) ungefähr so wichtig wie der sprichwörtliche Sack Reis, der in China umfällt. Das ist auch so. Aber das interessiert keinen.

Wie in der Jungs-Dusche beim Schulsport gilt beim Relevanzvergleich der Medien untereinander nur die Frage: Wer hat den längsten? Und zwar den längsten Balken in den sich heuschreckenplagenartig verbreitenden Zitate-Rankings, die so exakt wie banal durchzählen, welches Medium wie oft in anderen Medien erwähnt wird. Diese Rankings, wie etwa der "Medien-Tenor", bedienen in perfekter Weise sowohl den Narzissmus der Chefredakteure ("wie bedeutend sind wir?") wie auch die Sehnsüchte der Verleger nach Argumenten für den Verkauf von Anzeigenraum ("sechstmeist zitierte Tageszeitung nördlich des Mains"). Die pfiffigen Beratungsunternehmen überschwemmen die Branche flächendeckend mit ihren Hitlisten, so dass diese allein schon durch ihre Omnipräsenz eine Bedeutung erlangen, die von ihrer Qualität und Relevanz her nicht im Ansatz gerechtfertigt wäre. Und sie verkaufen gerne auch noch ihre Dienstleistungen dazu ("erfahren Sie noch genauer, wie bedeutend Sie sind" bzw. "wie Sie ganz einfach bedeutender werden").

Um den Kriterien der selbsternannten Relevanzschiedsrichter zu genügen, beschäftigen die Blätter und Sender Menschen damit, aus der täglichen journalistischen Produktion auf Teufel komm' raus Pseudonachrichten zu kreieren und herauszublasen, die das eigene Medium als Quelle tragen. Mit der Masse steigen die Abwehr-Reflexe, unter denen dann auch die tatsächlichen Exklusivgeschichten zu leiden haben. Kürzlich wusste die Berliner Zeitung durch irgendeinen guten Kontakt eine durchaus interessante Nachricht aus der Landespolitik tatsächlich vor allen anderen. Weil ihr aber niemand gönnte, was diesmal in der Tat gerechtfertigt gewesen wäre - eine Meldung unter Angabe der Quelle - setzte hektisches Telefonieren ein: "Können Sie mir bestätigen, dass...... ich will das nicht unter Berufung auf die Berliner Zeitung melden."

Der Verein Berliner Journalisten streifte das Thema kürzlich bei einer interessanten Podiumsdiskussion. Mit diesbezüglicher Kritik konfrontiert, bezeichnete dort Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt den allgegenwärtigen Zitierwahn, als das, was er ist: als einen Irrsinn. Schön wäre es, wenn diese Erkenntnis a) sich verbreiten würde und b) Konsequenzen hätte. Es wäre darüber zu reden, dass Medien ihre eigene Bedeutung nur dadurch nachhaltig stärken, dass sie Geld und Geist in journalistische Qualitätsarbeit investieren: indem sie ihren Mitarbeitern die Rahmenbedingungen für gute Recherche, für kontinuierliches Verfolgen von Themen, für sorgfältige Kontaktpflege und qualifizierte Meinungsbildung geben. Wer das nicht hören will, der ist vielleicht offen für eine andere Erkenntnis: wenn sich der eigene 'gute Name' allzu oft mit Pseudo-Exklusivgeschichten oder mühsam aufgeblasenen Nicht-Nachrichten verbindet, dann leiden langfristig jene Assets, die - im Gegensatz zum Platz im Ranking - für ein Medium wirklich unverzichtbar sind: Ansehen, Reputation und Glaubwürdigkeit. Von B.Z. bis F.A.Z. gilt: Eine Zeitung kann einpacken, wenn ihre Leser ihr nicht mehr glauben.

12.12.04

"Das Schönste an Berlin ist...

... die Gewissheit, dass man gar nicht auffällt unter all den Wahnsinnigen." Mit diesen schlichten Worten ist viel gesagt über das Berlin-Gefühl von uns Neubürgern um die dreißig, die wir in den letzten Jahren in die Stadt gezogen sind und bis heute mehr oder weniger fremdeln: hin und her gerissen zwischen der Faszination, die uns einmal hergelockt hat, und fatalistisch-zynischer Resignation angesichts der real existierenden Verhältnisse. Gewisse Dinge hatte man anfangs mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen, für liebenswerte Schrullen gehalten, für Reste alter West- wie Ostberliner Inselmentalitäten, die sich rasch erledigen würden: Den gewissen Mangel an Kultur, Niveau, liberalem Geist und Intellektualität, die bis weit in die 'besseren Kreise' hinein verbreitete Anspruchsmentalität, den Hang zur Hysterie in der öffentlichen Diskussion über die Stadt und ihre Belange, die irgendwie gestrige Wurschtigkeit, mit der viele Bewohner ihrem Alltag, ihrer Arbeit und anderen Menschen gegenübertreten. Inzwischen ist klar: all dies sind keine temporären Phänomene, es sind Grundbestandteile der Berliner Seelenlage.

Geschrieben hat den oben zitierten Satz Constanze von Bullion in der aktuellen Wochenendbeilage der SZ - als Kommentar zur ebenso dämlichen wie typischen Diskussion um die am Checkpoint Charlie großflächig in die Landschaft genagelten "Gedenkkreuze". Constanze von Bullion gehört zu denjenigen Journalisten, die zu Zeiten der Hauptstadtwerdung einmal angetreten waren, für uns zugezogene Jungakademiker, Medienmenschen und Bundestagsangestellten ein passendes publizistisches Angebot zu machen: uns einerseits diese Stadt zu erklären und nahezubringen, andererseits unseren Gefühlen, Verständnisproblemen und überheblichen Reflexen (alle so dumm hier, s.o.) Raum zu geben. Sowohl die 'Berliner Seiten' der F.A.Z. als auch die Berlin-Seite der SZ sind, leider, Geschichte. Die Autorinnen und Autoren mitsamt ihrer Mission überwintern in verschiedenen Nischen - zum Beispiel in der SZ-Wochenendbeilage, dem jetzt heimlichen Zentralorgan der Neuberliner. Ihr Versuch der gruppentherapeutischen Vermittlung zwischen alt und neu ist heute ein extremes Minderheitenprogramm, weil die meisten diesen Versuch erst einmal abgeschrieben haben.

Ich behaupte: mindestens 80% derjenigen Neubürger, die in und um die Bundespolitik herum tätig sind (oder bei Universal Music arbeiten oder für eine bundesweit tätige Werbeagentur) interessieren sich nicht die Bohne für die öffentlichen Angelegenheiten des Stadtstaates Berlin. Sie lesen keine Lokalteile und nehmen höchstens die Ereignisse wahr, die richtig dicke Schlagzeilen machen. Eine Ausnahme ist Verkehr: Gemeinsam mit den Ureinwohnern kann sich auch der Neuberliner trefflich erregen, wenn eine Baustelle seinen Weg zur Arbeit stört, die BVG mit uns Ersatzverkehr spielt oder der Radweg falsch gepflastert wird. Eine weitere Ausnahme werden allmählich auch Bildungsthemen: Zumindest für einen Teil der Neuhauptstädter wird es aus Gründen der privaten Biografie zu einer relevanten Frage, welche Qualität die Kitas im Prenzlauer Berg bieten.

Was macht das? Wenig, denn es ist ein Stück Normalisierung. Die Berliner müssen eben weiter selbst ihren finanzpolitischen Schutthaufen aufräumen und ihre Verhältnisse ordnen. Die Hauptstadtdarsteller beobachten das aus ihrer sicheren Blase heraus mit skeptischem Desinteresse und debattieren allenfalls die Gestaltung des von ihnen weitgehend in Besitz genommenen Hauptstadtkulissenberlin (Museumsinsel, Kanzleramt, Palast der Republik). Die Vermischung, die als gewollter Akt nicht funktioniert hat (man betrachte z.B. einmal in den Parteien das Verhältnis zwischen der bundespolitischen Ebene und dem jeweiligen Berliner Sprengel), kommt dann vielleicht mit der Zeit. Wenn die ganz große Frage des Umgangs mit dem Schuldenberg der 90er Jahre demnächst Karlsruher Verfassungsrichter beschäftigt, wird die jungneuberliner Elite das Ergebnis achselzuckend zur Kenntnis nehmen: Wahlweise "Berlin ist doch eh' pleite, was soll's" oder "jetzt kriegen die's auch noch in den Hintern geschoben - na mir soll's recht sein, wenn endlich die Bürgersteige richtig gepflastert werden". Und damit werden sie den schönsten Beweis dafür liefern, dass sie mentalitätsmäßig eben doch ein wenig heimisch geworden sind.

Einstweilen ist es schön, dass die SZ-Wochenendbeilage sich zumindest manchmal die Mühe macht, das nachzuholen, was die regionale Publizistik versäumt. Zum Beispiel scheint niemandem aufgestoßen zu sein, dass sich das Team des FC Deutschland e.V. für die WM 2006 ausgerechnet ein bizarres Plüsch-Schlößchen im Grunewald als Hauptquartier ausgewählt hat. Das Ambiente dort passt so überhaupt nicht zu den Themen Leistungssport, Dynamik, Modernität und Aufbruch, dass man, wäre nicht der DFB eine gänzlich ironiefreie Zone, darin einen monströsen Scherz vermuten müsste (wie schon beim WM-Logo). Die wahrscheinlichste Variante, wie es zu dieser Entscheidung kommen konnte, berichtet uns Marcus Jauer: "'Erinnert mich an einen Puff in Stuttgart', sagte Mayer-Vorfelder, als er vor einem mit Samt bezogenen Kingsize-Bett stand. Klinsmann sagte nur: 'Nehmen wir.'"

8.12.04

"Wer Geld verdient, hat auch meist ein Auto"

... so heute die "Berliner Zeitung" über die Berliner, in einem Kommentar zur möglichen Preiserhöhung bei den sogenannten Firmentickets. Widerspruch! Wenn das stimmen würde, hätte der ÖPNV in Berlin nicht die Bedeutung, die er hat. Die Statistik sagt Anderes, mein Alltag auch: für mich selbst und die Mehrzahl meiner Freunde und Bekannten gilt: Man verdient Geld, besitzt aber kein Auto, lebt im Mobilitätsmix aus BVG, S-Bahn, Fahrrad, Fuß und Taxi. Auch wenn mein Freundeskreis nicht repräsentativ ist (v.a. junge Akademiker in den ersten Berufsjahren und bisher ohne Familie) - es sind Viele, die in Berlin entweder ganz ohne Auto leben oder nur gelegentlich eines nutzen (Mietwagen, Stattauto, private Ausleihe). Und Familien, die im inneren Stadtbereich leben, haben meist auch dann nur ein Auto, wenn beide Partner arbeiten - der Zweitwagen ist eher ein Vorstadtphänomen.

Der Grottian-Zyklus (finale Montagsdemo)

Proteste der poltisichen Linken müssen in Berlin immer damit rechnen, frühzeitig von Prof. Peter Grottian unter die Fittiche genommen und geleitet zu werden. Der Protestforscher mit Hang zur Praxis folgt dabei nach meiner Beobachtung einem Grundmuster, das sich idealtypisch in folgende Phasen aufgliedert:
  1. Aufspringen auf ein gerade medial aktuelles Thema mit Polarisierungspotential
  2. Deklaration der Notwendigkeit einer neuen, breiten sozialen Bewegung zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse
  3. Väterliches Angebot, die eigene Führungserfahrung uneigennützig in den Dienst dieser Bewegung zu stellen
  4. Mahnung, nicht die Fehler vergangener Bewegungen zu wiederholen und sich an seine Ratschläge zu halten
  5. Sicherung der Leitwolfrolle durch öffentliche Belehrung der anderen Beteiligten darüber, dass ihre Ideen zu zahnlos sind und sie sich zu wenig trauen
  6. Auftritt bei zwei bis sieben Demonstrationen und/oder Events als oberster O-Ton-Geber und Deuter der Ereignisse: "Die Menschen sind einfach nicht mehr bereit, diese Politik hinzunehmen."
  7. Rechtzeitige Definition der späteren Schuldigen für Mißerfolg und Ende der Bewegung: "Wir dürfen uns jetzt nicht zerfasern...Einzelaktionen sind schädlich..."
  8. Erklärung, das Projekt brauche nunmehr eine Denkpause (wahrscheinlich, weil man sich nicht konsequent genug an seine Ratschläge gehalten hat).
Nach einer mal mehr, mal weniger langen Wartezeit beginnt der Zyklus mit einem neuen Thema von vorn.

Wer etwas auf sich hält...

...der hat einen Blog. Ich jetzt auch. Herzlich willkommen.