Neuer Anlauf - Restart - zweiter Versuch: Öffentliche und private Angelegenheiten aus der Hauptstadt. Seelenlage, Medienlage, Haushaltslage. Fundsachen, Anmerkungen,Assoziationen. Alle geäußerten Meinungen sind die privaten des Autors. Diskussionsbeiträge willkommen: Klick auf 'comments' unten rechts an jedem Beitrag.

23.1.05

Interview des Tages: Wein

Lustig und lehrreich: Weinkritikerin Jancis Robinson im Tagesspiegel-Interview mit Norbert Thomma und Susanne Kippenberger. Auch wenn manche der Tipps nicht gerade brandneu sind (guten Wein gibt es auch billig, eine Sorte Rotweingläser reicht, Schraubverschlüsse sind OK, trinkt mehr deutschen Riesling), es lohnt sich trotzdem.

18.1.05

Das Bedenkenswerteste...

... was in den letzten Tagen über Berlin in der Zeitung zu lesen war, stammt von Mechthild Küpper und stand in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

"Die Politik unterschätzt die Kraftreserven einer Mentalität, die in der berlinischen Zusammenfassung aller möglichen Verhältnisse zum Vorschein kommt: 'Alles Scheiße, Deine Ellie.' Lob klingt kaum feiner: 'Kann man nicht meckern!' Eine Bevölkerung, die alles und jeden unerschrocken und unsentimental prüft, könnte ein idealer Bündnispartner in Krisen und Katastrophen sein. In West-Berlin war dieser Typus als "Blockade-Berliner" berühmt, in Ost-Berlin hatte immer die Notwendigkeit bestanden, Findigkeit in Mangelsituationen zu zeigen. Doch die Politik stellte seit dem Fall der Mauer alle Fragen so, dass fatale Antworten gegeben wurden; über zehn Jahre herrschte die Vorstellung, in Gesamt-Berlin könne alles so werden, wie es im subventionierten West-Berlin gewesen war. Erst die Schuldenkrise erzwingt ein anderes Leitbild: daß Berlin aus eigener Kraft existiere."

14.1.05

Vorwärts, und nicht vergessen

Das Reformieren und Konsolidieren hat keinen Neuigkeitswert mehr, Hartz IV-Chaos und Protestwelle sind ausgeblieben. Und den Journalisten wird langweilig. Jedenfalls kramen sie in diesen Tagen in einer verstaubten Ecke und holen altes Spielzeug hervor, mit dem man sich doch früher immer so hübsch die Zeit vertrieben hatte.

So testen heute, 15 Jahre und gut zwei Monate nach dem Mauerfall, die Milieu-Blättchen B.Z. und Neues Deutschland die Mobilisierbarkeit des Ost-West bzw. West-Ost-Ressentiments. Bierernst, versteht sich, und daher mit realsatirischem Spaßfaktor. Die B.Z. entdeckt in der (legitimen) Diskussion um das Für und Wider eines weiteren Gedenkorts für Rosa Luxemburg einen prima Anlass zur Einnahme des Westberliner Schützengrabens und erblickt in den Plänen einen "Kniefall vor der PDS". Nicht ohne ein paar Seiten weiter zum (gefühlten) 124. Mal in diesen Wochen die Speerspitze der Freiheit zu featuren: Gedenkprofi Alexandra Hildebrandt in ihrem unermüdlichen und tapferen Kampf für den Erhalt ihres sogenannten Mahnmals am Checkpoint Charlie. Gegen die bösen, bösen Eigentümer, die sich anmaßen, keinen schneeweißen Mauernachbau und kein Feld riesiger schwarzer Holzkreuze auf ihrem Grundstück haben zu wollen.

Aber auch die Gestrigen der anderen Stadthälfte suhlen sich heute in Wohlgefühl durch Abgrenzung. Ansonsten jeder Sympathie für die FDP unverdächtig, bringt das Neue Deutschland deren Behauptung ganz groß(nur Printausgabe), der asbestverseuchte 'Steglitzer Kreisel' lasse sich unter ökonomischen Gesichtspunkten eigentlich nur noch abreißen. (Wer, wie ich, Anfang der 70er Jahre noch das Laufen lernte, kann alles über den dazugehörigen bizarren Westberliner Bauskandal in einem ganz wunderbaren Text von Holger Schmale nachlesen. Lohnt sich!)

Jedenfalls freut sich die Ost-Seele mit der FDP und kommentiert unter der Überschrift 'Abrissbirne' genüsslich, dass man selbige doch auch gleich gegen weitere "Heiligtümer" der "Frontstadt Westberlin" schwingen solle: den Flughafen Tempelhof (der damit so janz en passant mal eben zur 'West'-Erfindung umgefälscht wird) und das ICC, jenes Kongresszentrum, das "der westliche Stadtteil mitten im blühenden Fronstadtbetrieb" hingeklotzt habe. Der Osten fordert: Wenn ihr den Palast abreisst, sprengen wir das ICC. Kommen Abrisskommandos eigentlich im Dutzend billiger? Ich hätte da noch einige Vorschläge in beiden Stadthälften...

Den Preis des Tages gewinnt aber die PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus für ein ganz besonders liebevoll ausgearbeitetes textliches Kleinod, ein feines, nur vier Sätze langes Gedenkzeichen für die beruhigende, nervenschonende und einschlaffördernde Nachrichtensprache der Aktuellen Kamera. Hier der Originaltext (laut zu lesen, mit leichtem Ernst, mittlerer Lautstärke, gleichmäßiger Geschwindigkeit und kaum merklicher sächsischer Sprachfärbung):

"Berliner PDS-Politiker in Moskau für Vertiefung der Städtebeziehung
Berlin/Moskau, 14. Januar 2005.

Führende Berliner PDS-Politiker haben sich in Moskau für die Vertiefung der Städtebeziehung zwischen den beiden Hauptstädten ausgesprochen.

Die Delegation, der unter anderem die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Martina Michels, die Stellvertretende Landesvorsitzende, Annegret Gabelin, sowie Bezirksstadträte und Mitglieder der Fraktion angehören, unterstrich in Gesprächen mit dem stellvertretenden Oberbürgermeister von Moskau, W. P. Schantzew, und dem Vorsitzenden der Moskauer Stadtduma, Wladimir W. Platonow, ihr Anliegen, in diesem Jahr den 60. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus auch in Berlin würdig zu begehen. Überlegungen der PDS-Fraktion und des kommunalpolitischen Forums für ein „Fest des Friedens“ zum 8. Mai fanden bei den Moskauer Städtepartnern Zustimmung.

Fortgesetzt wurde während des dreitägigen Besuchs in Moskau auch der Dialog im Interesse der Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen Berlins mit Osteuropa und der Russischen Föderation."

Ich fürchte: So zu schreiben, das lernt ein Kind des Westens einfach nicht mehr.

Alles wird besser!

Die Berliner haben in diesem Jahr geschaut, ob Fußgänger des Wegs kommen, bevor sie ihre Weihnachtsbäume wie jedes Jahr von den Balkonen auf die Straße warfen. Und sie haben die Lametta abgemacht. Es wird doch!

6.1.05

Rundum erfreulich...

... ist es, an einem freien Tag durch Berlin zu streifen und dabei etwas rundum erfreuliches Neues kennenzulernen. So ist es mir gerade geschehen mit der "LUMAS Editionsgalerie Berlin", Oranienburger Straße 1, gleich am Hackeschen Markt. Ein Paradies für jeden, der schon einmal folgenden Gedankengang hatte: "Es gibt so viele interessante Fotografen zur Zeit, gerade auch aus Deutschland, die wirklich tolle Sachen machen. Nur schade, dass ich mir Originalfotos nicht leisten kann/will und die schönen Bilder als Plakate nach nichts aussehen. Sonst würde ich mir gerne dies oder jenes in die Wohnung oder ins Büro hängen." Und was hängt da nun auf zwei Etagen: eine gut kuratierte Werkauswahl teils etabilierter, teils 'kommender' Fotografinnen und Fotografen. Und zwar bezahlbar, weil sie als Lambda-Prints hergestellt sind und die Serien dabei zwar limitiert, aber auch nicht zu exlusiv klein gehalten wurden. Auf Wunsch bekommt man sie auf Aluminium kaschiert oder schlicht gerahmt. Nach dem Besuch hat man einen neuen Gedankengang: "Womit soll meine Sammlung beginnen?" (Fast) alles ist auch zu sehen unter www.lumas.de, Auge in Auge ist es aber eindrucksvoller. Suchtverdächtig. Nein, dies ist kein bezahlter Werbeblock.