Neuer Anlauf - Restart - zweiter Versuch: Öffentliche und private Angelegenheiten aus der Hauptstadt. Seelenlage, Medienlage, Haushaltslage. Fundsachen, Anmerkungen,Assoziationen. Alle geäußerten Meinungen sind die privaten des Autors. Diskussionsbeiträge willkommen: Klick auf 'comments' unten rechts an jedem Beitrag.

27.12.04

TOP 5: lohnenswerte Weihnachtslektüre

1. Das SZ-Magazin, Weihnachtsausgabe. Weil es mich - auf der Zugfahrt ins heimische Ruhrgebiet - im besten Sinne in Weihnachtsstimmung gebracht hat: mit Geschichten über Menschen an Weihnachten. Schöne, komische, beklemmende, rührende, jedenfalls nicht gefühlsduselige Geschichten. Was daraus zu lernen ist: Unsere vermeintlich großen Probleme im Alltag drehen sich meist, ehrlich betrachtet, um ziemlich unwesentliches Zeug.

2. "Stille Nacht" von Karl Otto Hondrich, F.A.Z. vom 24.12.2004. Weil er uns nicht nur (endlich!) erklärt, wie Weihnachten funktioniert und vor allem, wie wir an Weihnachten funktionieren. Sondern weil er das auch noch in einer Sprache tut, die das Lesen zur reinsten Freude macht. Was daraus zu lernen ist: Dass die Soziologie als Wissenschaft vom Menschen uns eben doch etwas zu sagen hat. Und: Individualität ist Fiktion.

3. "Große Männer, große Haufen" von Ralf Grauel, brand eins 1/2005. Weil dieser Text so nüchtern wie einleuchtend analysiert, wie das 650-Millionen-Investitionsdesaster "Space Park" in Bremen geschehen konnte. Was daraus zu lernen ist: Der Spruch "Erfolg ist die Summe richtiger Entscheidungen" gilt auch in der Negation. Ob in Berlin, Bremen oder Frankfurt/Oder.

4. "Das wahre Elend" von Walter Wüllenweber, Stern v. 15.12.2004. Ein beklemmender Blick in die Lebenswelt der "neuen Unterschicht" am Beispiel von Essen-Katernberg. Wo Eltern, die ihren Kindern "mal was bieten" wollen, zu Mc Donald's gehen, und wo daheim auf dem DVD-Player vor allem Pornos laufen. Polemisch, aber zutreffend seziert der Text die regelrechte "Unterschichtkultur", die sich trotz oder gerade wegen der staatlichen Fürsorge-Politik herausbilden konnte. Und die gerade für Kinder direkt in die Perspektiv- und Chancenlosigkeit führt. Was daraus zu lernen ist: Armut in Deutschland ist nicht in erster Linie ein finanzielles, sondern ein geistiges Problem.

5. "Im nächsten Jahr wird alles besser" von Eric Schweitzer, WamS vom 26.12.2004. Weil der neue Chef der Berliner IHK zeigt, wie ein neuer, zurechnungsfähiger Berliner Optimismus aussehen könnte: Ohne die Staatsfixiertheit früherer Berliner Wirtschaftsfunktionäre, ohne das Diepgen'sche Weglächeln von Problemen, ohne den Größenwahn der Hauptstadt-Überflieger-Fraktion. Stattdessen mit Nüchternheit, Rationalität, Zuverlässigkeit und Problembewusstsein. Was daraus zu lernen ist: Die Berliner Wirtschaftsindikatoren sind immer noch nicht toll, aber zeigen endlich in die richtige Richtung.